Geschichtlich läßt sich das Kartenlegen über viele Jahrhunderte nachweisen. Die Römer besaßen bereits ein System von Täfelchen, auf denen Symbole aufgezeichnet waren. Im 8. Jahrhundert kamen dann die Karten auf. Die Technik der Wahrsagerei mit Karten ist ziemlich einfach. Den einzelnen Karten wird eine bestimmte Bedeutung zugemessen, z. B. Herz 7: Liebeskarte, Herz 10: Wunscherfüllung, Pik 10: Glückskarte. Bei 32 Spielkarten gibt es dann Tausende von Kombinationen. Soweit es sich bei der Kartenlegerei nicht nur um üble Geldmacherei handelt, sondern paranormale (ungewöhnliche) Fähigkeiten mitschwingen, spielt die Telepathie (Gedankenlesen, Gedankenanzapfen) und die unterbewußte Kommunikation (Mitteilung, Verbindung) eine Rolle.
Eine weitere Form der Kartenlegerei beruht auf echten medialen Fähigkeiten. Das Wort medial kommt vom lateinischen „medium“, das Mittel. Man bezeichnet mit medial die schwer zu beschreibenden geheimnisvollen Fähigkeiten mancher Menschen, Vorgänge auszulösen oder zu erfassen, die über den Bereich der fünf Sinne hinauszugehen scheinen. Eine Kartenlegerin erklärte auf Befragen, sie wäre im Augenblick des Wahrsagens von einer fremden Macht beherrscht. Ein fremder Geist würde über sie kommen. Sie müßte dann Dinge aussagen, die sie selbst nicht wüßte. Das Gefühl würde sie beherrschen, als ob sie im Moment des Wahrsagens besessen wäre. Hinterher wäre sie wieder völlig normal.
Kartenlegen – Erlebnisberichte aus dem Buch “Seelsorge und Okkultismus”
Einige Beispiele aus der Seelsorge sollen die psychischen Auswirkungen der passiven wie aktiven Beteiligung beim Kartenlegen zeigen.
1) Eine junge Frau kam bei einer Bibelwoche zur Aussprache und berichtete folgendes Erlebnis: Sie war in einem pietistischen Elternhaus aufgewachsen. Mit 16 Jahren zog sie in eine andere Stadt zur Annahme einer Hausgehilfinnenstelle. An einem freien Sonntagmittag wurde sie von einer Freundin in eine benachbarte Stadt zu einer Kartenlegerin mitgenommen. Die beiden Mädchen waren zum ersten Mal bei dieser Frau. Die Wahrsagerin legte den beiden die Karten und erklärte unserer Berichterstatterin: “In acht Tagen ist Ihr Vater tot.” Das Mädchen lachte hell hinaus und sagte: “Mein Vater ist kerngesund. Das glaube ich nicht.”
Die Mädchen fuhren in ihren Wohnort zurück. Am Abend griff die Berichterstatterin, wie von Kind auf im Elternhaus gewohnt, zur Bibel, um zu lesen und zu beten. Da spürte sie plötzlich ein beklemmendes Gefühl und Druckschmerzen am Hals. Sie konnte weder beten noch die Bibel lesen. Gleichzeitig hörte sie ein Schwirren, Sausen und Huschen im Zimmer um ihr Bett herum. Sie ließ vor Angst das Licht angeschaltet. Diese seltsamen Spukerscheinungen wiederholten sich jeden Abend. Der Höhepunkt war dann nach acht Tagen ein Telegramm von zu Hause, das sie an den Sarg des Vaters rief. Der Vater war plötzlich durch einen Herzschlag mitten aus der Arbeit und dem Leben herausgerissen worden.
Sie eilte erschüttert heim und dachte, die Kartenlegerin hat also doch recht behalten. Mit dem Heimgang des Vaters setzten dann noch weitere Erscheinungen ein. Jede Nacht erschien der verstorbene Vater im Traum und machte ihr Vorwürfe, warum sie ihm das angetan hätte, daß sie sich von einer Kartenlegerin hatte beraten lassen. Ein halbes Jahr erschien ihr der Vater regelmäßig im Traum, bis er dann eines Nachts erklärte: “So, jetzt ist es genug.” Sie konnte dann hinterher wieder die Bibel lesen und beten.
2) Eine Braut wollte zu Beginn des Krieges wissen, ob ihr Verlobter aus dem Feld wieder heimkehren würde. Sie ging zu einer Kartenlegerin, die ihr sagte, dass ihr Wunsch der Heirat in Erfüllung ginge. Tatsächlich kam der junge Mann gesund aus dem Krieg zurück. Doch die Braut hatte von der Zeit jenes Besuches bei der Wahrsagerin an depressive Stimmungen und litt an Lebensüberdruß. Als der Verlobte zurück war, schnitt sie sich eines Tages die Pulsadern und die Cubitalvenen auf. Zum Glück konnte sie gerettet werden.
In medizinischer Hinsicht ist dieses Beispiel in der schon mehrfach behandelten Fragestellung ohne Befund. Das Mädchen stammt aus einer gesunden, gut christlichen Familie. In parapsychologischer Hinsicht liegt nichts Besonderes vor. Auf der seelsorgerlichen Ebene ergibt sich wieder das typische Bild okkulter Behaftung und Auswirkung.
3) Eine junge Frau, deren Mann im Osten vermisst war, ging zur Kartenlegerin, um zu erfahren, ob der Mann noch lebe. Die Wahrsagerin erklärte ihr: “Ihr Mann ist tot.” Die Frau wartete ein Vierteljahr und besuchte dann wieder eine Kartenlegerin, um über das ungewisse Schicksal ihres Mannes etwas zu erfahren. Wieder erhielt sie die Antwort: “Ihr Mann kommt nicht wieder.” Sie ging verzweifelt heim und vergiftete ihre zwei Kinder und sich selbst mit Leuchtgas. Am nächsten Tag kam der Mann aus der russischen Gefangenschaft und fand die drei Leichen seiner Lieben vor. Dies ist ein erschütterndes Beispiel aus der Nachkriegszeit, das einerseits die Unzuverlässigkeit der Kartenwahrsagungen zeigt, und anderseits das staatliche Verbot dieses dunklen Gewerbes zur gewichtigen Forderung erhebt.
In seelsorgerlicher Hinsicht wird hier wieder der Fluch der okkulten Betätigung sichtbar. Die junge Frau hat sich bei der Kartenlegerin nicht genaue Auskunft, sondern den Entschluss zum dreifachen Mord geholt.
Nach diesen Beispielen passiver okkulter Betätigung folgt nun ein Beispiel aktiver Ausübung chiromantischer Praxis.
4) Ein Mann, der sich als Wahrsager und Kartenleger betätigte, geriet in starke Depressionen, in deren Verlauf er sich eines Tages unter einen Zug legte. Seine Frau und seine Tochter, denen er auch oft Karten legte, sind beide schwermütig.
In der Seelsorge zeigen sich immer wieder die psychischen Auswirkungen der Mantik in Form von Selbstmordgedanken, Lästergedanken gegen die Dreieinigkeit, jähzornigen Anfällen, Tobsuchtsanfällen, Selbstmord, völliger Auflösung der Konzentration der Gedanken und vom Gefühl, wahnsinnig zu werden. Es ist Kurt Koch wiederholt in der Seelsorge gesagt worden, dass der Besuch bei einer Kartenlegerin aus Unwissenheit oder aus Neugierde erfolgt sei. Man hätte das gar nicht geglaubt und nicht für ernst genommen. Bei diesen Argumenten pflegte er die in der Seelsorge gemachte Beobachtung in das Gleichnis zu fassen: “Ob ich aus Unwissenheit oder aus Neugierde, im Scherz oder im Ernst eine Handgranate abziehe, die Wirkung ist immer die gleiche.”
5) Eine Jugendliche im Alter von 18 Jahren ließ sich in Liebesangelegenheiten die Zukunft deuten. Die Wahrsagerin erklärte ihr: “Sie werden Ihren 20. Geburtstag nicht überleben.” Das Mädchen lebte zwei Jahre in der Angst vor dem bevorstehenden frühen Tod. Mit dem Herannahen seines 20. Geburtstages steigerte sich in ihm eine ungeheure Spannung. Der von der Wahrsagerin gesetzte Termin verstrich ohne besonderen Vorfall. Dennoch hatte das Mädchen die seelische Belastungsprobe nicht überstanden. Es mußte am Tag danach in ein Irrenhaus eingeliefert werden und starb nach weiteren zwei Jahren.
Psychologisch ist dieser Fall ganz offenkundig. Das Mädchen geriet durch die Wahrsagerin unter einen Suggestionsbann und dem unbewußten Zwang gehorchend, trug es zur Erfüllung der Wahrsagung bei. Es trat hier das ein, was Schmeïng in seiner Untersuchung ebenfalls herausstellte: Der Empfänger einer Vorschau oder einer Wahrsagung setzt sich durch seine Bereitschaft, der Wahrsagung zu glauben, selbst einen Termin. Es erfolgt eine reversio causae et effectus. Die Wahrsagerin erkennt nicht den bevorstehenden Tod, sondern sie trägt durch ihre seelische Beeinflussung zu seinem Eintritt bei. Juristisch gesehen gehören viele Fälle der Mantik genauso vor die Schranken des Gerichtes wie der Totschlag.
In seelsorgerlicher Hinsicht offenbart sich hier der Fluch der Wahrsagerei – genauer gesagt, der Lügensagerei. Die geglaubte Lüge wird Wirklichkeit. Das Wort Jesu: “Euch geschehe nach eurem Glauben”, erfüllt sich auch in seiner Umkehrung. Die sogenannte Enthüllung der Zukunft durch die Mantiker stellt sich nur als eine ungeheure seelische Belastung heraus, der viele nicht gewachsen sind, zumal sich die Wahrsagungen meistens als willkürliche Phantasieprodukte oder als medial erfaßte unterbewußte Wunschvorstellungen des Ratsuchenden entpuppen.
Es ist höchst beachtlich, wenn eine erfahrene Irrenwärterin berichtet, daß bis zu 60 % die Geisteskrankheiten aller Art cum grano salis, also irgendwie im Zusammenhang mit Wahrsagerei und Zukunftsdeuterei, ausgelöst werden. Wenn die angebliche Enthüllung der Zukunft durch magische Praktiken eine solche Wirkung hat, dann ist die Verhüllung der Zukunft Weisheit und Barmherzigkeit dessen, der vor die Zukunft einen undurchsichtigen Schleier gelegt hat.